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Forschung  · 9 min read

Videoanalyse von Neugeborenen während der Versorgung im Kreißsaal

Positionierung von Neugeborenen im Kreißsaal – Eine Videoanalyse-Studie mit Mangold INTERACT.

Positionierung von Neugeborenen im Kreißsaal – Eine Videoanalyse-Studie mit Mangold INTERACT.

Bauch- oder Seitenlage? Eine wissenschaftliche Analyse der Neugeborenen-Positionierung im Kreißsaal

WICHTIGER HAFTUNGSAUSSCHLUSS

WICHTIGER HAFTUNGSAUSSCHLUSS

Dieser Artikel richtet sich ausschließlich an ein erfahrenes wissenschaftliches Fachpublikum. Er dient ausschließlich zu Informationszwecken als Beispiel für Videoanalyse mit INTERACT und basiert hauptsächlich auf einer einzelnen wissenschaftlichen Studie von Konstantelos et al. (2014). Die hier dargestellten Inhalte stellen in keiner Weise medizinische Empfehlungen, Behandlungsrichtlinien oder klinische Handlungsanweisungen dar. Alle medizinischen Entscheidungen bezüglich der Neugeborenenversorgung müssen von qualifizierten medizinischen Fachkräften getroffen werden. Der Autor und die Plattform übernehmen keine Verantwortung für Entscheidungen, die auf Basis dieser Informationen getroffen werden. Diese Inhalte ersetzen nicht die professionelle medizinische Beratung, Diagnose oder Behandlung.

Einleitung: Eine kritische erste Entscheidung

Die ersten Momente im Leben eines Neugeborenen sind ein Wirbelwind der Aktivität. Inmitten der Flut von Untersuchungen und Eingriffen hat eine scheinbar einfache Entscheidung erhebliche Auswirkungen auf den Übergang des Säuglings zum extrauterinen Leben: Wie soll das Baby positioniert werden? Während jahrzehntelange Forschung die Bedeutung des Schlafens in Rückenlage zur Prävention des plötzlichen Kindstods (SIDS) gefestigt hat [1], bleibt die optimale Positionierung in der unmittelbaren postnatalen Phase ein Thema laufender Untersuchungen und Debatten. Dieser Blog-Beitrag befasst sich mit einer entscheidenden Studie von Konstantelos et al. [2], die Licht in dieses kritische Thema bringt, die potenziellen Vorteile der Seitenlage im Kreißsaal untersucht und den breiteren wissenschaftlichen Kontext dieses grundlegenden Aspekts der Neugeborenenversorgung beleuchtet.

Seit Jahrzehnten ist die „Back to Sleep“-Kampagne ein Eckpfeiler öffentlicher Gesundheitsbotschaften, die zu einer dramatischen Reduzierung der Raten des plötzlichen Kindstods (SIDS) geführt hat [3]. Dies hat die Rückenlage als Standard für den Säuglingsschlaf etabliert. Der Kreißsaal stellt jedoch eine einzigartige Reihe von Herausforderungen und Prioritäten dar. Der Fokus liegt hier auf der Erleichterung eines reibungslosen Übergangs, der Gewährleistung einer ausreichenden Atemanstrengung und der Stabilisierung der Vitalparameter. In diesem Zusammenhang ist die ideale Position möglicherweise nicht dieselbe wie die für den Schlaf empfohlene.

Dieser Beitrag wird die Ergebnisse der in Dresden durchgeführten Studie untersuchen, die Videoanalysen mit der Mangold INTERACT software zum Vergleich der Rücken- und Seitenlage bei reifen Säuglingen verwendete. Wir werden die Methodik, die wichtigsten Ergebnisse und die klinischen Implikationen der Studie untersuchen und gleichzeitig einen breiteren Überblick über die zugrunde liegenden physiologischen Prinzipien geben. Durch die Synthese dieser Erkenntnisse möchten wir ein umfangreicheres Verständnis dieses kritischen Aspekts der Neugeborenenversorgung vermitteln.

Die Dresdner Studie: Ein Fenster in die Kreißsaal-Praxis

Eine Studie von Konstantelos und Kollegen von der Neonatalen Forschungsgruppe Dresden aus dem Jahr 2014 lieferte einen einzigartigen und wertvollen Beitrag auf diesem Gebiet, indem sie Videoaufzeichnungen des Kreißsaalmanagements systematisch analysierte [2]. Diese Beobachtungsstudie zielte darauf ab, drei Schlüsselfragen zu beantworten:

  1. Wie oft wird das Kreißsaalmanagement bei reifen Säuglingen in Seitenlage durchgeführt?
  2. Ist ein routinemäßiges Kreißsaalmanagement in der Seitenlage möglich und effektiv?
  3. Gibt es einen erkennbaren Vorteil der Seitenlage in Bezug auf Unruhe oder Vitalparameter?

Methodik: Das Unsichtbare erfassen

Die Forschenden zeichneten 187 Videos des Kreißsaalmanagements für reife Säuglinge auf, die per Kaiserschnitt geboren wurden. Mit der Mangold INTERACT software analysierten sie diese Videos und kodierten eine Reihe von Variablen, darunter die Position des Säuglings, alle durchgeführten Interventionen (wie Stimulation oder Absaugen), Vitalparameter und den Grad der Unruhe. Die „Hauptposition“ wurde als die Position definiert, in der ein Säugling mehr als 70 % seiner Zeit verbrachte.

Wichtige Ergebnisse: Ein Argument für die Seitenlage?

Während die Rückenlage insgesamt häufiger vorkam (91 Säuglinge gegenüber 63 in der Seitenlage), zeigten sich in der Studie mehrere interessante Unterschiede zwischen den beiden Gruppen:

  • Stimulation: Säuglinge in Rückenlage benötigten signifikant mehr Stimulation als solche in Seitenlage (12,5 % der Gesamtzeit gegenüber 3,9 %). Dies deutet darauf hin, dass Säuglinge in der Seitenlage einen stabileren und effizienteren Übergang haben könnten.
  • Unruhe: Neugeborene in der Seitenlage waren durchweg weniger unruhig als die in Rückenlage. Dies ist ein entscheidendes Ergebnis, da übermäßige Unruhe den Sauerstoffverbrauch und den Stress erhöhen kann.
  • Oxygenierung: Die Studie fand einen Trend zu einer besseren Oxygenierung bei Säuglingen in Seitenlage. Insbesondere hatten Säuglinge in der links-lateralen Position nach 8 Minuten signifikant höhere Sauerstoffsättigungswerte als solche auf der rechten Seite. Darüber hinaus erreichten Säuglinge in Seitenlage tendenziell früher den kritischen Sauerstoffsättigungswert von 90 % als Säuglinge in Rückenlage.

Es ist wichtig zu beachten, dass die Studie keinen kausalen Zusammenhang zwischen der Positionierung und diesen Ergebnissen fand. Die beobachtete starke Assoziation liefert jedoch eine überzeugende Begründung für weitere Untersuchungen.

Wie die Autoren feststellen: „Die Seitenlage scheint mit reduzierter Unruhe und verbesserter Oxygenierung verbunden zu sein. Es bleibt jedoch unklar, ob dies eine kausale Beziehung oder eine Assoziation darstellt. Die Studie unterstützt die Notwendigkeit einer randomisierten kontrollierten Studie.“ [übersetzt] [2]

Diese Forschung unterstreicht die potenziellen Vorteile einer Praxis, die in einigen europäischen Krankenhäusern bereits an Popularität gewinnt. Durch die Bereitstellung objektiver, datengestützter Erkenntnisse hat die Dresdner Studie den Weg für einen differenzierteren und evidenzbasierten Ansatz zur Positionierung von Neugeborenen im Kreißsaal geebnet.

Die physiologischen Grundlagen: Warum die Position wichtig ist

Die Ergebnisse der Dresdner Studie werden durch eine wachsende Zahl von Forschungsergebnissen zu den physiologischen Auswirkungen der Positionierung bei Neugeborenen gestützt. Der Übergang vom fötalen zum neonatalen Leben beinhaltet eine komplexe Reihe von kardiorespiratorischen Anpassungen, und die Position des Säuglings kann diesen Prozess erheblich beeinflussen.

Atemmechanik

Das Atmungssystem von Neugeborenen unterscheidet sich anatomisch und funktionell von dem eines Erwachsenen. Die Brustwand ist nachgiebiger, die Alveolen sind kleiner und weniger zahlreich, und die Atemarbeit ist deutlich höher. Die Positionierung kann einen tiefgreifenden Einfluss auf diese Mechanik haben:

  • Ventilations-Perfusions-Verhältnis (V/Q): In der Rückenlage sind die hinteren (abhängigen) Lungenbereiche anfälliger für Atelektasen (Kollaps), was zu einem Missverhältnis zwischen Ventilation und Perfusion führt. Im Gegensatz dazu können die Seiten- und Bauchlage das V/Q-Verhältnis verbessern, indem sie eine gleichmäßigere Lungenbelüftung fördern [4].
  • Funktionelle Residualkapazität (FRC): Die FRC, das Luftvolumen, das am Ende der Ausatmung in der Lunge verbleibt, ist entscheidend für die Aufrechterhaltung einer stabilen Oxygenierung. Einige Studien deuten darauf hin, dass die Bauch- und Seitenlage die FRC erhöhen und so ein größeres Sauerstoffreservoir bereitstellen kann [5].
  • Brustwanddynamik: Die Rückenlage kann zu einer paradoxen Bewegung der Brustwand führen, bei der sich der Brustkorb während der Inspiration nach innen bewegt. Dies ist in der Seiten- und Bauchlage weniger häufig, was die Effizienz der Atemmuskulatur verbessern kann [6].

Kardiovaskuläre Effekte

Die Positionierung kann auch die kardiovaskuläre Funktion bei Neugeborenen beeinflussen. Der Übergang vom fötalen zum neonatalen Kreislauf beinhaltet den Verschluss des Ductus arteriosus und des Foramen ovale sowie eine signifikante Abnahme des pulmonalen Gefäßwiderstands. Die Positionierung kann diese Prozesse beeinflussen, indem sie den venösen Rückfluss, das Herzzeitvolumen und den Blutdruck verändert [7].

Obwohl die Evidenz noch in der Entwicklung ist, deuten einige Studien darauf hin, dass die Bauchlage mit einer Abnahme des Herzzeitvolumens und einem Anstieg des Pulmonalarteriendrucks verbunden sein kann [8]. Die langfristigen Auswirkungen dieser Ergebnisse sind noch nicht vollständig geklärt, unterstreichen aber die Notwendigkeit eines sorgfältigen und individualisierten Ansatzes bei der Positionierung.

Klinische Implikationen und zukünftige Richtungen

Die Dresdner Studie und die breitere Forschung zur Positionierung von Neugeborenen haben erhebliche Auswirkungen auf die klinische Praxis. Während die Rückenlage der unbestrittene Champion für sicheren Schlaf bleibt, stellt der Kreißsaal eine andere Reihe von Überlegungen dar. Die Evidenz deutet darauf hin, dass die Seitenlage in der unmittelbaren postnatalen Phase mehrere Vorteile bieten kann, darunter reduzierte Unruhe, verbesserte Oxygenierung und einen stabileren Übergang.

Es ist jedoch entscheidend zu betonen, dass dies keine Einheitslösung ist. Die optimale Position für einen bestimmten Säugling hängt von einer Vielzahl von Faktoren ab, einschließlich seines Gestationsalters, seines klinischen Zustands und aller spezifischen medizinischen Bedürfnisse. Zum Beispiel werden Säuglinge, die eine kontinuierliche positive Atemwegsdrucktherapie (CPAP) benötigen, fast ausschließlich in Rückenlage behandelt, da dies die Anwendung der Maske und die Überwachung der Atemwege erleichtert.

Die Notwendigkeit weiterer Forschung

Die Dresdner Studie bietet eine solide Grundlage für zukünftige Forschung in diesem Bereich. Wie die Autoren selbst schlussfolgern, ist eine randomisierte kontrollierte Studie erforderlich, um einen kausalen Zusammenhang zwischen Positionierung und Ergebnissen herzustellen. Zukünftige Studien sollten auch darauf abzielen:

  • Die langfristigen Entwicklungsergebnisse verschiedener Positionierungsstrategien zu untersuchen.
  • Die Wirksamkeit von Positionierungsinterventionen in verschiedenen Populationen zu bewerten, einschließlich Frühgeborener und solcher mit spezifischen medizinischen Erkrankungen.
  • Standardisierte Protokolle für die Positionierung im Kreißsaal und auf der neonatologischen Intensivstation zu entwickeln.

Indem wir die Evidenzbasis weiter ausbauen, können wir uns auf einen personalisierteren und evidenzbasierten Ansatz zur Positionierung von Neugeborenen zubewegen und sicherstellen, dass jeder Säugling den bestmöglichen Start ins Leben hat.

Schlussfolgerung: Ein Balanceakt

Die Frage, wie ein Neugeborenes im Kreißsaal positioniert werden soll, ist ein perfektes Beispiel für die dynamische und sich entwickelnde Natur der medizinischen Praxis. Während die Rückenlage der unbestrittene König des sicheren Schlafs ist, deutet die Evidenz darauf hin, dass die Seitenlage in der unmittelbaren postnatalen Phase ein würdiger Konkurrent sein könnte. Die Dresdner Studie hat mit ihrem innovativen Einsatz von Videoanalysen ein wertvolles Puzzleteil geliefert und die potenziellen Vorteile einer Praxis hervorgehoben, die in einigen Teilen der Welt bereits an Bedeutung gewinnt.

Letztendlich ist das Ziel, die richtige Balance zwischen der Förderung eines reibungslosen und stabilen Übergangs und der Gewährleistung der Sicherheit und des Komforts des Säuglings zu finden. Dies erfordert ein tiefes Verständnis der zugrunde liegenden Physiologie, ein Bekenntnis zur evidenzbasierten Praxis und die Bereitschaft, lange beibehaltene Annahmen in Frage zu stellen.

Referenzen

Erinnerung

Hinweis: Dieser Artikel richtet sich ausschließlich an ein erfahrenes wissenschaftliches Fachpublikum. Er basiert in erster Linie auf einer einzigen Forschungsstudie und bietet nur eine begrenzte Perspektive auf ein komplexes medizinisches Thema. Die wissenschaftliche Landschaft der Neugeborenenpflege ist vielfältig und entwickelt sich ständig weiter. Diese Informationen sind nicht als Ersatz für professionelle medizinische Beratung gedacht und sollten niemals als alleinige Grundlage für Entscheidungen herangezogen werden.

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References

  1. American Academy of Pediatrics, Task Force on Sudden Infant Death Syndrome. (2022). Sleep-Related Infant Deaths: Updated 2022 Recommendations for Reducing Infant Deaths in the Sleep Environment. Pediatrics, 150(1), e2022057990. https://publications.aap.org/pediatrics/article/150/1/e2022057990/188304/Sleep-Related-Infant-Deaths-Updated-2022
  2. Konstantelos, D., Gurth, H., Bergert, R., Ifflaender, S., & Rüdiger, M. (2014). Positioning of term infants during delivery room routine handling: analysis of videos. BMC pediatrics, 14, 33. https://bmcpediatr.biomedcentral.com/articles/10.1186/1471-2431-14-33
  3. National Institute of Child Health and Human Development. (n.d.). Safe to Sleep® Public Education Campaign. https://safetosleep.nichd.nih.gov/
  4. Gouna, G., Rakza, T., Kuissi, E., Pennaforte, T., Mur, S., & Storme, L. (2013). Positioning effects on lung function and breathing pattern in premature newborns. The Journal of pediatrics, 162(6), 1133–1137.e1. https://www.jpeds.com/article/S0022-3476(12)01370-4/fulltext
  5. Bhat, R. Y., Leipälä, J. A., Singh, N. R., & Rafferty, G. F. (2006). Effect of posture on oxygenation, lung volume, and respiratory mechanics in premature infants studied before discharge. Pediatrics, 118(1), e29–e34. https://publications.aap.org/pediatrics/article/118/1/e29/68939/Effect-of-Posture-on-Oxygenation-Lung-Volume-and
  6. Wolfson, M. R., Greenspan, J. S., Deoras, K. S., Allen, J. L., & Shaffer, T. H. (1992). Effect of position on the mechanical interaction between the rib cage and abdomen in preterm infants. Journal of applied physiology, 72(3), 1032–1038. https://journals.physiology.org/doi/abs/10.1152/jappl.1992.72.3.1032
  7. Yiallourou, S. R., Walker, A. M., & Horne, R. S. (2008). Effects of sleeping position on development of infant cardiovascular control. Archives of disease in childhood, 93(10), 868–871. https://adc.bmj.com/content/93/10/868
  8. Shepherd, K. L., Yiallourou, S. R., Odoi, A., & Horne, R. S. (2018). Prone sleeping position in infancy: Implications for cardiovascular and cerebrovascular function. Sleep medicine reviews, 40, 119–128. https://www.sciencedirect.com/science/article/abs/pii/S108707921730150X