Durch Eye Tracking mit den Augen der Probanden sehen
Was ist Eye Tracking?
Eye Tracking als Messinstrument
Eye Tracking ist eine Methode um herauszufinden, wo ein Proband während eines Tests hingeschaut hat. Oft wird auch der Begriff Gaze Tracking verwendet, da Gaze im englischen „Blick“ bedeutet.
Über die Erfassung des Blickverlaufs kann man interessante Fragestellungen beantworten. So lässt sich beispielsweise die Wirksamkeit von Online Werbung messen, die Usability von Webseiten testen oder generelle Eye Tracking Studien durchführen, wie sie in der wissenschaftlichen Grundlagenforschung üblich sind.
Ein Eye Tracking Gerät ist letztlich "nur" ein Messinstrument. Wer nicht weiß, was er messen soll, warum er das messen will oder wie die Ergebnisse zu interpretieren sind, wird in einem Eye Tracking System wenig Nutzen haben. Wer jedoch genau wissen will, warum ein Proband beispielsweise bei Usability Tests bestimmte Dinge auf einer Website angeklickt hat, wird über das Gaze Tracking wertvolle Information erhalten.
Die Blickverlaufsanalyse zeigt nämlich, wo die Testperson in welcher Reihenfolge und wie lange hingeblickt hat. Und genau das ist die Information, die man weder durch Beobachten (beispielsweise mit Mangold INTERACT) noch durch Befragen herausfinden kann.
Voraussetzungen für Eye Tracking Studien
Grundsätzlich braucht man zum Eye Tracking ein Gerät, das die Augenbewegungen eines Probanden messen (besser: verfolgen oder „Tracken“) kann. Ein solches Gerät ist zum Beispiel das Mangold VT3 Mini System. Zusätzlich benötigt man eine Software, welche die Eye Tracking Daten aufzeichnet und auswerten kann. Darüber hinaus wird ein Programm benötigt, das sogenannte Stimuli präsentieren kann – also alles, was man den Testpersonen zeigen und später auswerten möchte. Neben einem PC, auf dem das Eye Tracking System läuft und den passenden Testpersonen, ist das im Prinzip schon alles, um erfolgreiche Blickverlauf-Studien durchführen zu können.
Ein Eye Tracking Projekt erstellen
Das MangoldVision Software Paket enthält alles, um Gaze Tracking Analysen durchführen zu können. Einen Eye Tracking Projekt Manager, einen Recorder, der die gesamte Eye Tracking Sitzung aufzeichnet und ein Auswerteprogramm für die Eye Tracking Daten.
Bei der Zusammenstellung eines Projekts definiert man prinzipiell eine Reihe von Stimuli, die den Personen nacheinander gezeigt werden sollen. Das können zum Beispiel Bilder oder ein Video sein, dessen Wirkung man untersuchen möchte.
Für Eye Tracking Usability Tests, also falls eine Interaktion des Probanden mit einer Website oder einer Software getestet werden soll, ist es notwendig den Bildschirm aufzuzeichnen, auf dem das zu testende Programm oder die Website läuft. Man spricht hier von einem sogenannten Screen Recording. Streng genommen ist das natürlich kein Stimulus welcher der Person präsentiert wird, sondern umgekehrt eine Aufzeichnung dessen, was auf dem PC Monitor passiert. Der Einfachheit halber heißt in MangoldVision alles, was der Proband zu sehen bekommt Stimulus.
In der MangoldVision Software kann man sich eine solche Reihe solcher Stimuli ganz einfach per Drag & Drop zusammenstellen. Das Ganze wird dann als Eye Tracking Projekt gespeichert. Dieses Projekt wird den Testpersonen später während des Versuchs von der Software automatisch vorgeführt.
Die Eye Tracking Sitzung
Während einer Eye Tracking Sitzung wird das zuvor erzeugte Projekt von der Software automatisch abgespielt. Sitzt der Proband vor dem Eye Tracking Gerät, kann es losgehen. Der Recorder startet und präsentiert die zuvor festgelegten Stimuli.
Ein wichtiger Schritt fehlt aber noch: Damit das Gaze Tracking System weiß, wo der Proband hinschaut, muss es natürlich die Augen der Testperson erfassen und deren Bewegung kontinuierlich messen. Damit das geschehen kann, muss die Testperson kalibriert werden. Das Eye Tracking System misst also, wie die Stellung der Augen der Testperson ist, wenn sie auf bestimmte Punkte am Bildschirm blickt. Dazu werden am Bildschirm Punkte gezeigt, auf welche die Person nacheinander blicken muss. Üblich sind 5 Punkte. In jeder Bildschirmecke einer und einer in der Mitte. Das ist in der Regel ausreichend.
Für jeden dieser Punkte zeichnet das MangoldVision System die Augenbewegung des Probanden auf (natürlich umgewandelt als Werte in einem Koordinatensystem) und berechnet daraus ein individuelles mathematisches Modell, welches das Blickverhalten der Testperson repräsentiert. Das klingt kompliziert, dauert aber nur wenige Sekunden. Von diesem Zeitpunkt an, wird jeder Blick auf eine beliebige Stelle des Computer Bildschirms in x/y Koordinaten umgerechnet. Damit weiß man also, wann der Proband wohin geschaut hat.
Läuft nun das Projekt mit den Stimuli ab, zeichnet die Eye Tracking Software alle Blickdaten auf. Wenn als Stimulus „Bilschirmaufzeichnung“ (Screen Recording, Website Usability, EPrime, SuperLab o.ä.) gewählt wurde, dann werden alle Aktivitäten des Probanden am PC aufgezeichnet (Tastatureingaben, Mausbewegungen, Klicks etc.).
Enorm wichtig ist unserer Erfahrung nach die Aufzeichnung der User Experience – also, die Eindrücke des Nutzers während des Tests. Dazu zeichnet MangoldVision auf Wunsch das Gesicht und die Aussagen des Probanden (sogenannte „Thinking Aloud“ Protokolle) als zusätzliches Video auf. Gerade in Usability Studien sind diese Informationen sehr wichtig (s. unten, Ergebnisse). Ist das Projekt für einen Probanden durchgelaufen, kann man es gleichermaßen für alle weiteren Testpersonen durchführen.
Alle Daten aller Probanden werden bei MangoldVision in einer Projekt Datei gespeichert. Wie man sich vorstellt, kann diese Datei bei langen Sitzungen sehr groß werden. Mit MangoldVision ist es einfach möglich, beliebig viele einzelne Projekte aufzunehmen und diese zur Analyse einfach in ein großes Projekt zusammenzuführen. Das macht die generelle Speicherung und Backups einfach und ist eine gute Möglichkeit Datenverlust vorzubeugen.
Sind alle Tests durchgeführt, können die Daten ausgewertet werden.
Um häufig gestellte Fragen vorweg zu nehmen:
- Funktioniert das auch bei Brillenträgern, Kontaktlinsenträgern oder Personen, die problematisches Sehen haben?
Ja, (zumindest bei MangoldVision und dem VT3 mini Eye Tracker funktioniert das im Allgemeinen sehr gut) - Kann sich die Testperson beim Eye Tracking vor dem Bildschirm frei bewegen?
Ja, in vernünftigen Grenzen. Diese sind in der Regel beim System als "Headbox" angegeben. Ideal ist es, wenn sich die Testperson bereits während der Kalibrierung natürlich bewegt hat und sich ebenso natürlich während des Tests bewegt. - Wenn die Testperson vom Bildschirm wegschaut oder blinzelt oder die Augen länger schließt kann MangoldVision die Blickmessung sofort wieder aufnehmen, sobald die Augen wieder auf den Monitor schauen? Ja, das passiert im Millisekundenbereich.
- Wie schaffe ich es, dass sich die Testperson natürlich verhält und nicht in "Prüfungsangst" vor dem Eye Tracker sitzt?
Testpersonen verhalten sich in der Regel natürlich, wenn man ihnen erklärt, dass „nicht sie getestet werden“ (Angst!), sondern „das was am Bildschirm zu sehen ist“ („Ah, ich kann mich entspannen. Es betrifft mich nicht“).
Eye Tracking Datenauswertung
Die Auswertung von Eye Tracking Daten ist mit dem MangoldVision Analyzer sehr komfortabel möglich. Alle Stimuli und alle Probanden werden in einem übersichtlichen Projektbaum dargestellt.
Eye Tracking Analysen geben prinzipiell folgende Auskunft: Wie lange, wie oft, wie häufig wurde was in welcher Reihenfolge angesehen.
Um daraus konkrete Ergebnisse ziehen zu können, muss nun eine Fragestellung bzw. eine Hypothese her. Beispielsweise: „Wird der Produkttext bei Website Design A länger angesehen, als bei Design B“ oder „Wenn ein grafisches Symbol an Stelle X eingebaut wird, kann der Blickverlauf auf Stelle Y gelenkt werden“.
Um solche Fragen in Zahlen beantworten zu können definiert man sogenannte Areas of Interest (AoI). Das sind die Bereiche auf einem Stimulus, für den obige Werte gemessen werden sollen (also wie oft / lange etc. wurde dort hin geblickt)
Solche Areas of Interest lassen sich mit dem MangoldVision Analyzer leicht definieren. Dazu markiert man den gewünschten Bereich einfach mit einer Umrandung. Natürlich kann man beliebig viele solcher AOIs erzeugen, womit man aussagekräftige Statistiken erhält.
Ja, AoIs lassen sich auch auf Videos definieren, auch wenn dort beispielsweise ein Logo von links nach rechts durchs Bild fliegt. In MangoldVision wird das als Moving and Morphing Area of Interest bezeichnet, denn sie kann über den Lauf der Zeit die Form und Größe und die Position im Bild verändern, kurzzeitig erscheinen und wieder verschwinden – eben genau so, wie der zu untersuchende Bereich im Video auftritt.
Neben den statistischen Ergebnissen sind auch grafische Darstellungen von Eyetracking Daten interessant. Allen voran werden immer gern die Heat Maps genannt, die interesant aussehen, eigentlich aber wenig sinnvoll sind, denn hier wird einfach über den interessanten Bereich gemalt. Viel besser sind die Focus Maps, die Mangold als erster Hersteller in seiner MangoldVision Software eingeführt hat. Hier wird nämlich alles ausgeblendet, was die Betrachter nicht gesehen haben. Somit erhält man einen wesentlich realistischeren Eindruck, was wirklich gesehen (und was nicht gesehen) wurde.
Die Auswertung von Eyetracking Daten kann oft auch einfach sein. Man muss kein Raketenwissenschaftler sein, um Eye Tracking Studien durchführen zu können. Wenn man in einer Focus Map sieht, dass 90% alle Testpersonen bestimmte Dinge auf einer Werbeanzeige oder einer Website überhaupt nicht angeschaut haben, dann spricht das für sich. In diesem Fall ist eine dringende Usability Optimierung erforderlich.
Stationärer versus kopfgetragener Eye Tracker
Die oben beschriebenen Studien an einem Computerbildschirm können alle mit einem stationären Eye Tracking Gerät durchgeführt werden. Sprich, das System wird unter den Monitor gestellt oder am Bildschirm angebracht. Soll hingehen Eye Tracking in realer Umgebung (beispielsweise im Supermarkt) durchgeführt werden, so benötigt man einen sogenannten kopfgetragenen Eye Tracker (auch fälschlicherweise oft als mobiler Eye Tracker bezeichnet, wobei der VT3 mini natürlich auch ein mobiler Eye Tracker ist, da man ihn überall mit hin nehmen kann). Solche kopfgetragenen Systeme werden beispielsweise von Tobii oder SMI hergestellt.
Wesentlicher Unterschied zwischen kopfgetragenem und stationärem Eye Tracker ist die Tatsache, dass man bei einem kopfgetragenem System keine festen Koordinaten im Raum hat. Deshalb sind Analysen hier viel aufwändiger, denn der Kopf bewegt sich ständig, womit beispielsweise eine Frühstücks-Cerealien Packung im Supermarktregal innerhalb von Sekundenbruchteilen an komplett unterschiedlichen Stellen im Bild erscheint.
Selbst wenige Grad Drehung des Kopfes haben in ca. 1 Meter Steh-Entfernung zum Supermarktregal eine große Verschiebung zur Auswirkung. Soll nun diese Packung als Area of Interest betrachtet und ausgewertet werden, muss man tief in die Trickkiste greifen, um die Kopfbewegung in Relation zum Objekt durch komplizierte Bildverarbeitungsverfahren herauszurechnen. Das funktioniert prinzipiell, ist derzeit aber noch sehr aufwändig.
Ganz schwierig wird es wenn mehrere Testpersonen nacheinander durch den Supermarkt laufen. Da jeder anders läuft, andere Dinge ansieht und sich anders bewegt, sind die Daten der Tests komplett unterschiedlich! Ein Vergleich ist hier sehr mühsam.
Bei einem stationären System bekommt man hingehen alle Ergebnisse „auf Knopfdruck“, denn auf dem Bildschirm ist immer klar, was sich an Koordinate x/y befindet – egal, wie oft der Versuch von unterschiedlichen Personen durchlaufen wird.
Die wichtigste Frage ist also, kann ich das, was ich auswerten will wirklich nur mit einem kopfgetragenen System auswerten. Oder kann ich mein Versuchsdesign so umgestalten, dass ich mit einem minimalen Gesamtaufwand und einem stationären Eye Tracker vergleichbare Ergebnisse bekomme.
Man kann das Supermarktregal beispielsweise auf einem sehr großen Monitor anzeigen und am Monitor selbst einen sogenannten Long Distance Eye Tracker anbringen. Die Personen stehen dann vor dem Monitor und durchlaufen die gleiche Tracking Prozedur, wie oben beschrieben. Das hat den Vorteil, dass die Person nichts aufsetzen muss, dass der Kalibriervorgang sehr einfach ist und dass man viele verschiedene Inhalte präsentieren kann, währen die Person am gleichen Platz steht.
Größter Vorteil ist aber natürlich, dass die Auswertung sofort auf Knopfdruck erstellt werden kann – und das über alle Personen hinweg!