Aktivierungsaufforderungen im wirtschaftsberuflichen Unterricht - Identifizierung instruktionaler Muster
In der Dissertation von Dr. Claudia Kopf wird wirtschaftsberuflicher Unterricht beobachtet, um festzustellen, welche Instruktionen Lehrpersonen zur Vorwissensaktivierung nutzen.
Vorwissen ist ein bedeutsamer Einflussfaktor für den Lernerfolg. In zahlreichen empirischen Studien werden positive Effekte des Vorwissens auf das Lernen nachgewiesen.
Das bloße Vorhandensein von Vorwissen ist jedoch nicht ausreichend, um gute Lernergebnisse zu erzielen. Wesentlich ist die Aktivierung und Verwendung des Vorwissens.
Um für neue Lerninhalte relevantes Vorwissen nutzbringend zu aktivieren, benötigen Lernende spezifische Unterstützung.
Laut bisherigen Forschungsarbeiten kann nicht von einer automatischen Aktivierung von Vorwissen ausgegangen werden. Diese hängt vielmehr von den Instruktionen der Lehrperson ab.
Folgende zwei Forschungsfragen stehen im Fokus:
- Welche Aktivierungsaufforderungen werden in der wirtschaftsberuflichen Unterrichtsforschung eingesetzt?
- Wie sind Aktivierungsaufforderungen in der wirtschaftsberuflichen Unterrichtspraxis bei Themeneinführungen eingebettet?
Dazu wird der aktuelle Forschungsstand zu Aktivierungsaufforderungen und ihrer instruktionalen Einbettung diskutiert. Im Rahmen einer Pilotstudie erfolgt zunächst die Präzisierung des Untersuchungsdesigns. Auf Basis der Ergebnisse wird ein Kategoriensystem entwickelt sowie wirtschaftsberuflicher Unterricht an Berufsschulen in Baden-Württemberg aufgezeichnet und ausgewertet. Diese Auswertungen umfassen sowohl quantitative, softwaregestützte Analysemethoden als auch qualitative Analysemethoden in Form einer Sequenzanalyse.
Ergebnis der Analysen sind vier Dimensionen, deren Ausprägungen (Subdimensionen) unterschiedliche Aktivierungsaufforderungen beschreiben. So stellen die Rolle der Lehrperson, die eingesetzten Materialien, die Art des Vorwissens sowie die Lerninhalte die Subdimensionen dar, aus denen sich Aktivierungsaufforderungen zusammensetzen. Des Weiteren können fünf Muster der Einbettung von Aktivierungsaufforderungen in Themeneinführungen unterschieden werden. Die Ergebnisse stellen eine erste Annäherung an das hoch inferente Konstrukt ‚Vorwissensaktivierung‘ dar. Auf dieser Basis können die Muster validiert und spezifiziert sowie die Wirksamkeit der in der wirtschaftsberuflichen Unterrichtspraxis auftretenden Aktivierungsaufforderungen untersucht werden.
Analyseverfahren: Quantitative Videoanalyse
In dieser Arbeit wird sowohl ein qualitativer als auch quantitativer Forschungsansatz verfolgt, um das Auftreten von Aktivierungsaufforderungen in der wirtschaftsberuflichen Unterrichtspraxis aus verschiedenen Perspektiven zu untersuchen. Zunächst wird die Vorgehensweise für den quantitativen Forschungsteil beschrieben.
Die Kodierung der Videodaten führten drei Kodierer durch. Die Beobachter erhielten im Vorfeld eine Beobachterschulung inklusive Simulationen mit Beispielen aus den Unterrichtsvideos der Pilotstudie und einer Einführung in das Kodiermanual, um die Objektivität sicherzustellen. Die 50 Videos wurden auf die drei Kodierer aufgeteilt. Kodierer 2 und Kodierer 3 kodierten die Unterrichtsstunden, bei denen eine Einwilligung der Lehrpersonen darüber vorlag, dass das Material vertraulich Dritten gezeigt werden darf. Kodierer 1 kodierte 20 Prozent der Kodierungen der Unterrichtsvideos von Kodierer 2 und 3 zwecks Validierung. Als Analyseeinheit wurden für die Kodierung Ereignisstichproben (‚event-sampling‘) gewählt, das heißt, die Unterrichtseinheit wird in eine Reihe unterschiedlich großer Zeitabschnitte mit jeweils eigenem Anfangs- und Endpunkt für jedes Auftreten des Kriteriums unterteilt.
Mit Hilfe der Videoanalysesoftware Interact wurden grafische Auswertungen – wie Häufigkeits- und Zeitdiagramme – vorgenommen und die dazugehörigen Statistiken erhoben. Es wurden sowohl Auswertungen je Video als auch Analysen über die Gesamtdaten durchgeführt. Der höchste und niedrigste Wert einer Kategorie respektive Unterkategorie wurde softwaregestützt ermittelt und die jeweiligen Unterschiede wurden in vier Farbkategorien eingeteilt, um Ausreißer zu identifizieren und die Verteilung der Kodierungen darzustellen (‚Visual Data Exploration‘). Darüber hinaus wurden sogenannte ‚State-Space-Grids‘ angefertigt. Diese Auswertungsroutine wurde von Hollenstein (2011, 2013) entwickelt und ist eine spezielle Methode, synchronisierte Ereignissequenzen auszuwerten und damit mögliche Muster des gemeinsamen Auftretens von bestimmten Ereignissen zu identifizieren.
Um alle Kategorien zu ermitteln, die sich innerhalb eines Zeitraums in einem bestimmten Verhalten überschneiden, wurden überlappende Kodierungen gefiltert und zusammengefügt (‚Co-Occurence-Filter‘).
Wir danken Frau Dr. Kopf sehr herzlich für die zur Verfügung gestellte Forschungsstudie anlässlich Ihrer Inauguraldissertation an der Universität Mannheim.
Die komplette Studie steht hier zum Download zur Verfügung >>>